Siegfried Mattl, Klaus Müller-Richter, Werner Michael Schwarz (Hg.):

Felix Salten, Wurstelprater. Ein Schlüsseltext zur Wiener Moderne. Mit kommentierenden Essays, Wien: Promedia 2004, 256 Seiten.

12,5 x 18,5 cm, 40 Photos

ISBN 3-85371-219-3

"Wurstelprater" von Felix Salten (1868 - 1945) und Emil Mayer (1871 - 1938) gehört zu den Schlüsseltexten der Wiener Moderne. Der Autor und der Fotograph, ein literarischer Verwandlungskünstler der eine, ein Wegbereiter der modernen Fotographie der andere, führen in ihrer anschaulichenText-Bildreise in den Wiener "Wurstelprater" von 1911 und in die Widersprüchlichkeit der Zeitenwende.

Der Prater von Felix Salten und Emil Mayer ist noch von aussterbenden Attraktionen bevölkert, vom "Watschenmann", der "Meerjungfrau" und dem "Meerestaucher", und von einem staunenden "Volk", das sich hier selbstvergessen vergnügt, ehe es im "Getriebe der Großstadt zerrieben" wird. Der Prater erscheint als utopischer Ort, als letztes Refugium vor den Umwälzungen der Moderne. Seine Besucher entstammen noch dem Repertoire der traditionellen Wiener "Volkstypen", wie der "Fallot", der "Trinker", das "Dienstmädchen" und der "Soldat".

Felix Saltens "Wurstelprater" ist eine Reise in ein anderes, uns heute unbekanntes Wien, in die letzte Wildnis der Donaumetropole sozusagen. Autor und Fotograph zeigen ihrer Leserschaft einen Ort, der frei ist von den politischen und sozialen Antagonismen der Zeit, frei von Klassenkampf und Nationalismus und frei auch von Antisemitismus, der insbesondere jüdische Künstler und Intellektuelle nach der Jahrhundertwende immer drückender an den Rand des tatsächlichen Wiens gedrängt hat. Der eine, Felix Salten, wird 1938 ins Exil, der andere, Emil Mayer, in den Freitod getrieben.

Der nach mehreren Jahrzehnten erstmals wieder aufgelegte "Wurstelprater" wird von einem ausführlichen Kommentarteil begleitet. Ein Team internationaler KulturwissenschaftlerInnen (btwh - Berkeley, Tübingen, Wien, Harvard) zeigt den "Wurstelprater" im Netz zeitgenössischer Diskurse.

Felix Salten (eigentlich: Siegmund Salzmann), geboren 1868 in Budapest, war Schriftsteller und Kritiker. Er gehörte zum Kreis "Jung-Wien" und war zwischen 1917 und 1933 Präsident des Österreichischen P.E.N.-Clubs. 1939 emigierte er in die Schweiz. Salten beeinflusste mit "Bambi" (1923 von Walt Disney verfilmt) die moderne Tiererzählung und gilt u.a. als Autor des Wiener Dirnenromans "Josefine Muzenbacher". Er starb 1945 in Zürich. Emil Mayer, geboren 1871 in Böhmen, war Rechtsanwalt und Fotograph. Er entwickelte einen optischen Belichtungsmesser ("Justophot") und schuf 1908 Aufnahmen des Wiener Praters. 1938 starb er durch Selbstmord in Wien.

Titel beim Verlag

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Inhalt

Felix Salten, Emil Mayer: Wurstelprater, S. 5-124.

Siegfried Mattl, Klaus Müller-Richter, Werner Michael Schwarz: Vorwort, S. 125-126.

Siegfried Mattl, Werner Michael Schwarz: Utopia des »zeitlos Popularen«, S. 127-146.

Klaus Müller-Richter: Phantasmagorien des Praters, S. 147-161.

Robert B. McFarland: Anthropologischer Heißhunger oder Hexenküche-Rausch?, S. 162-180.

Kristin Kopp: The Ethnic Immigrant in the Metropolis, or Containing the »Slavic Flood« in the Viennese Wurstelprater, S. 181-195.

Moritz Baßler: »Einfache Anomalien«: Zwerge und Riesen in Felix Saltens Wurstelprater, S. 196-211.

Sabine Müller: Dabei könnten sie doch deutsch reden!, S. 212-231.

Robert Buchschwenter: Von aufrichtigen Dirnen vor falschen Kulissen, S. 232-242.

Gabriele Reinharter: Felix Salten, S. 243-244.

Emil Mayer Biographie, S. 253-254.

Inhaltsverzeichnis, S. 255.

Die Herausgeber, S. 256.

Die AutorInnen, S. 256.

Rezensionen

Karlheinz Rossbacher in der Zeitschrift "Nestroyana", 25. Jahrgang 2005, Heft 1-2: "Saltens Sammlung von über 20 feuilletonistischen Skizzen, jede begleitet von einer oder mehreren Fotografien von Emil Mayer, nimmt 119 Seiten ein, und fast exakt so lang ist der anschließende Teil mit neun Aufsätzen von Historikern und Germanisten mit kulturwissenschaftlicher Ausrichtung aus Österreich, Deutschland und den USA."

Das Life@style-Magazin am 4.1.2005: "Der nach Jahrzehnten erstmals wieder aufgelegte ?Wurstelprater' wird von einem ausführlichen Kommentarteil begleitet. (...) Die Neuauflage glänzt durch zeitgenössische Illustrationen und einen umfassenden Diskurs internationaler Literaturforscher."

Die "Bücherschau" Nr. 3/2004: "Saltens Texte in Kombination mit den Fotos von Emil Mayer erwecken die untergegangene Welt des ?Straßenvolkes' zu neuem Leben."

Die Zeitschrift "derive" im Heft 17/2004: "Wurstelprater wurde nun im Originallayout mit den Fotos von Emil Mayer ergänzt durch zahlreiche Texte von WissenschaftlerInnen wieder veröffentlicht. (...) Interessant an Saltens Blick des Praters ist der perspektivische Blick und die selektive Wahrnehmung. Der Wurstelprater wird als fast isolierter Teil des Praters gesehen, der eine eigene abgeschlossene Welt darstellt."

Die Rezensionszeitschrift "BücherPick" im Herbst 2004: "Erfreulicherweise liegt der Text mit Bildern nun als Originalreprint vor. Durch die kompetenten Aufsätze der beteiligten Wissenschaftler wird so ein vergangenes Soziotop und dessen Wandel aufgeschlüsselt und begreifbar. Entstanden ist ein Buch zum Schmökern und Schwelgen."

"Wien.at" Nr. 9/2004: "Das Buch ist eine anschauliche Reise in den Prater von 1911."

Die "Niederösterreichischen Nachrichten" Nr. 35/2004: "Die Neuauflage einer lang entbehrten Kostbarkeit aus dem Jahr 1911 (...). Nicht der moderne Vergnügungspark als Ort neuartiger Körpererlebnisse steht im Zentrum des - hervorragend und ausführlich kommentierten - Buches, sondern ein unbekanntes Wien, ein utopischer Ort, ein von aussterbenden Attraktionen bevölkertes Refugium, noch frei von Klassenkampf, Nazis und Antisemitismus. Höchst faszinierend!"

"Die Welt" am 19.6.2004: "Beide Verfasser haben charakteristische Momentaufnahmen gemacht, Typen und Szenen festgehalten: all die abgewrackten Akrobaten, die Strizzis und süßen Mädel und spektakelsüchtigen Kinder. So wird die Sammlung zum soziologischen Querschnitt und zum kulturhistorischen Dokument von Rang. Schade nur, dass der gelehrte Anhang terminologisch derart aufgedonnert ist."

Das "Deutschlandradio" am 19.7.2004: "Die Praterbesucher, die uns Felix Mayer und Emil Salten zeigen, kennen alle diese Fragen nach der Identität nicht. Sie gehören keinen Nationen an, sie gehören keinen Parteien an, die gehören keinen Berufsgruppen an, sie gehören keinen ?Rassen' an, sie sind einfach da."

Die "Neue Zürcher Zeitung" vom 29. Mai 2004: "Schöne und zugleich flüchtige Feuilletons hat Felix Salten 1911 unter dem Titel ?Wurstelprater' veröffentlicht. Jetzt erhält der schmale Band einen erstaunlichen Beweis seiner Haltbarkeit."